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Vom Ganztagsangebot zum Schulprofil

Aktualisiert: 21. Okt. 2021

Adolph-Diesterweg-Gymnasium Plauen, © Charlotte Will

von Charlotte Will


In wenigen Wochen, zu Beginn des Schuljahres 2021/2022, startet ein neu entwickeltes Konzept am Adolph-Diesterweg-Gymnasium. Hinter dem Namen „Sportzentrum Plauen“ verbirgt sich ein langersehntes und mit viel Liebe zum Sport entworfenes Projekt, welches das Ziel einer speziellen Leistungsförderung für Vereinssportler*innen verfolgt. Auch die Neuanmeldezahlen der Schule sollen dadurch wieder steigen.


PERSÖNLICHE VERBUNDENHEIT

Egal, ob man es sich zum Zeitpunkt des Schulaustrittes vorstellen kann oder nicht, man wird seiner ehemaligen Schule immer auf eine gewisse Art- und Weise verbunden bleiben. Auch in meinem Fall hielt die Verbindung zu dem Gymnasium, an welchem ich im Jahr 2017 mein Abitur abgelegt habe, durch eine Mitgliedschaft in dessen „Freundeskreis“ sowie privater Bekanntschaften mit Lehrer*innen und Schüler*innen der Schule kontinuierlich an. In diesem Zusammenhang konnte ich die Weiterentwicklung und Veränderung meines früheren Gymnasiums laufend mitverfolgen. Es ist beeindruckend, was sich innerhalb so kurzer Zeit an Strukturen und Möglichkeiten in einer Bildungseinrichtung wandeln kann und wie durch frischen Wind, der von einzelnen Lehrpersonen mitgebracht wird, attraktive und neue Angebote geschaffen werden können. In diesem Beitrag möchte ich ein, sich noch in den Kinderschuhen befindliches Projekt des Adolph-Diesterweg-Gymnasiums (im Folgenden Diesterweg-Gymnasium) vorstellen, welches große Ziele verfolgt und als Hoffnungsträger der Schule nicht nur das GTA-Angebot erweitern soll, sondern noch eine weitere wichtige Funktion für die Schule erfüllt.


DAS DIESTERWEG-GYMNASIUM PLAUEN

Homepage des Diesterweg Gymnasiums Plauen

Die Schule bietet Lernenden auf ihrem Weg zum Abitur verschiedene Vertiefungsmöglichkeiten und ermöglicht ihnen, sich individuell zu entfalten. Ein besonderes Attribut der Schule stellte bislang ihre künstlerisch-musikalische Ausrichtung dar, welche durch musikvertiefende Bläserklassen oder den Kunst- Leistungskurs in der Oberstufe, deutlich wird. Doch dies sollte nicht das einzige „Aushängeschild“ der Schule bleiben.

Über eine lange Periode hinweg war das Gymnasium vierzügig und musste aufgrund der hohen Schüler*innenzahlen streckenweise sogar auf eine Außenstelle zurückgreifen. Diese Zeiten sind jedoch aufgrund eines deutlichen Geburtenrückganges nach der Wiedervereinigung längst vorbei, sodass seit einigen Jahren sogar ein sukzessiver Rückgang der Anmeldezahlen für die fünften Klassen zu verzeichnen war. In der Folge konnten nur noch drei Klassenzüge gebildet werden. Dass dieser Negativtrend nicht fortgesetzt werden darf, wurde der Schulleitung durch dieses direkte Feedback übermittelt.

Diesbezüglich ist der, seit der Gründung bestehende, Wettbewerb mit einem anderen Gymnasium der Stadt zu erwähnen. Die anhaltende Konkurrenz fordert die Schulen immer wieder gegenseitig dazu heraus, sich wie Unternehmen in einem Wirtschaftssystem gegenüber dem anderen Mitstreiter zu profilieren und hervorzuheben. Aus diesem Grund gibt es stets Anreiz für innovative Projekte sowie Platz für neue Ideen.


EXKURS: DIE ÖKONOMISIERUNG DES BILDUNGSSYSTEMS

Bildung mit einem wirtschaftlichen Gut gleichzusetzen ist eine äußerst heikle Angelegenheit. Denn Bildung ist ein spezielles Produkt (vgl. Fend 2008). Es lässt sich nicht konsumieren, sondern muss angeeignet werden (vgl. ebd). Dennoch stehen sich im Bildungssystem der Neuzeit immer häufiger zwei Logiken gegenüber: Auf der einen Seite findet man die ursprüngliche pädagogische Rationalität, in der Vermittlungsprozesse vom Menschen ausgehend im Mittelpunkt stehen. Diese ist jedoch schwer messbar und lässt sich nur mühsam beschreiben. Demgegenüber steht die betriebswirtschaftliche Rationalität, welche seit den 2000er Jahren die Bildungslandschaft prägt. Im Gegensatz zur pädagogischen Rationalität, nimmt hier die Marktorientierung eine zentrale Rolle ein. Dadurch wird es möglich, mehr Transparenz in der Bildungsarbeit herzustellen sowie profitable, ökonomisch quantifizierbare Maßstäbe zu setzen. Konkret heißt das: Schulen befinden sich in einem andauernden Wettbewerb untereinander und sehen sich ständig im Zugzwang, mit neuen, besonderen Profilen zu werben. Lässt sich hier eine Verschiebung des Mittelpunktes feststellen? Und wenn dies der Fall ist – welche Folgen hat das für unser Bildungssystem? Kritiker*innen sprechen von einer Verwirtschaftlichung des Schulsystems, durch welche sie eine Verdrängung pädagogischer Leitideen und Reduktionismus befürchten. Andererseits lassen sich in diesen Entwicklungstendenzen, wie am Beispiel des Diesterweg-Gymnasiums in Plauen ersichtlich wird, auch Potenziale und positive Effekte erkennen. Auf diese Art und Weise wird eine ständige Transformation im pädagogischen Bereich sichergestellt und so die Möglichkeit für Professionalisierung sowie Anreize zur Qualitätsoptimierung geschaffen.


VORGESCHICHTE UND ENTSTEHUNG DES KONZEPTS

Mit einer Intention fern von ökonomischen Gedanken, wurde das Konzept eines Sportzentrums einst von Tommy Färber im Rahmen seines Lehramtstudiums entwickelt. Die Idee dahinter: Sportschulcharakter in eine Stadt bringen, wo dies aufgrund unzureichender Strukturen, eigentlich nicht möglich ist. Nachdem Färber 2019 als junger Lehrer am Diesterweg-Gymnasium in das Berufsleben gestartet ist, haben sich seine Ideen konkretisiert und stießen von Beginn an auf positive Resonanz bei der Schulleitung. Im Anschluss an verschiedene Informationsveranstaltungen, gewann das Projekt zunehmend an Dynamik und erfuhr eine enorme Resonanz.

Auch Steven Fischer, der seit 1999 Sportlehrer am Diesterweg-Gymnasium ist, spielte schon des Längeren mit einer ähnlichen Idee. Seine Gedankengänge drehten sich ebenfalls darum, leistungsstarke Sportler*innen im schulischen Rahmen mehr zu fördern. Auch er ist begeistert und gespannt auf das Anlaufen dieses neuen Projekts.


© Charlotte Will

RAHMENBEDINGUNGEN UND AUFBAU DES PROGRAMMS

Aber wie ist das Konzept des Sportzentrums Plauen nun konkret aufgebaut?

Ab dem kommenden Schuljahr 2021/2022 werden leistungsorientierte Sportler*innen bei ihrer Anmeldung für die fünfte Klasse die Möglichkeit haben, sich für das sogenannte „Spezi-Programm“ zu bewerben. Dafür benötigen sie entweder ein Empfehlungsschreiben, welches ihre sportliche Tauglichkeit belegt oder einen Nachweis über die Mitgliedschaft in einen der 16 Partnervereine des Projekts. Angeboten wird eine Vertiefung in den Sportarten Fußball, Handball, Wassersport und Leichtathletik. Sollte die Anmeldungszahl für das Programm über den zur Verfügung stehenden Plätzen liegen, wird ein schulinterner Eignungstest durchgeführt.


VERZAHNUNG VON GANZTAG UND UNTERRICHT

Die Spezi-Schüler*innen werden anschließend insgesamt fünf anstatt der in der Stundentafel vorgesehenen drei Stunden Sport in der Woche haben. In dieser zusätzlichen Doppelstunde bekommen sie die Möglichkeit, sich in ihrer jeweiligen Disziplin weiterzuentwickeln (vgl. S.G. Jößnitz 2021). Nach Absprache mit den Vereinen, wird die Doppelstunde an den trainingsfreien Tagen stattfinden, sodass die Kinder einen zusätzlichen Trainingsreiz erfahren können und nicht mit mehreren Trainingseinheiten an einem Tag überfordert werden. Aufgrund der komplexen Logistik, wird sich die Spezi-Einheit wahrscheinlich nur am Ende des Schultages und nicht bereits im Vormittagsblock realisieren lassen.


KONFLIKTFELD: INTEGRATION IN DEN SCHULALLTAG

Die größte organisatorische Herausforderung stellt die Eingliederung dieser zusätzlichen Förderung in den Schulalltag dar. Im Gegensatz zu einer Sportschule, in welcher die Sportgymnasiast*innen je nach Sportart drei- bis viermal mehr Sport in der Woche haben sowie zusätzliche Sporttheoriestunden angesetzt sind, ist die Zeit an einem allgemeinbildenden Gymnasium begrenzt. Aus diesem Grund soll das entwickelte Konzept vielmehr als „Vorstufe“ zur Sportschule angesehen werden, in der sich sportlich talentierte Schüler*innen schon einmal an dem angezogenen Niveau orientieren und ihre Leistungen unter Beweis stellen können. Wer in diesem Rahmen besonders heraussticht, kann folglich an eine Sportschule weiterempfohlen werden.


DIE BETREUUNG

An der Seite lizenzierter Trainer*innen werden interessierte Kinder und Jugendliche die Möglichkeit bekommen, sich in ihrer jeweiligen Sportart anhand spezialisierter Trainingspläne gezielt weiterzuentwickeln. Das Training soll so auf einem professionellen Niveau gestaltet werden.


GRÜNDE FÜR DIE ANMELDUNG

Nicht nur für Vereinssportler*innen, sondern auch für Kinder und Jugendliche, die bisher noch keinen Vereinskontakt hatten, ist das Spezi-Programm ein attraktives Angebot. Vorteile sieht Tommy Färber unter anderen darin, dass die wöchentliche Sportstundenzahl generell erhöht wird. Vor allem im Hinblick darauf, dass die Schüler*innen seit Jahren immer größere Probleme in ihrer motorischen Entwicklung haben, sieht er in dem Programm enormes Potenzial. Ein weiterer Vorteil ist die Generierung homogener Sportgruppen und damit eine Qualitätssteigerung. Auch das professionelle Betreuungsformat innerhalb der Spezi-Stunden sieht Färber als gewinnbringend an.

Auf die Frage, ob die Lernenden in irgendeiner Hinsicht schulische Nachteile erfahren würden, antwortet er: „Ich sehe das genau andersherum. Die Kinder wollen ja unbedingt diese Spezi-Stunde und die Trainer und Lehrer beobachten währenddessen die Noten der Schüler. Das heißt, sowie ein Schüler in irgendeiner Form von den Noten her abrutscht, haben wir ein kleines „Druckmittel“ nach dem Motto: Wenn die Noten nicht passen, müssen die Spezi-Stunden erst einmal aussetzen, dass sie sich wieder mehr auf die Schule konzentrieren können. Dann entwickeln die Kinder eine Eigenmotivation, um schnellstmöglich wieder in die Spezi-Stunde zu kommen.“ Daran wird ersichtlich, dass der Sport nach wie vor nur als eine Erweiterung verstanden werden soll, um die Kinder nicht auf ihrem Weg zum Abitur zu hindern.

Sowohl für die Sportler*innen als auch für die Vereine, trägt das Programm ein enormes Potenzial in sich. Zum einen haben die Schüler*innen auf diese Art und Weise die Möglichkeit, sich über die Vereinsgrenzen hinweg mit Sportkammerad*innen auszutauschen und von anderen Trainerinputs zu profitieren, zum anderen bekommen auch die Vereine wieder einen größeren Zulauf, so Steven Fischer. Dies ist vor allem in diesen Zeiten, in denen viele kleine Vereine aufgrund sinkender Mitgliederzahlen um ihr Fortbestehen kämpfen, von enormer Bedeutung.


ERWARTUNG

Das Projekt des Sportzentrums Plauen soll neben der attraktiven Erweiterung des Schulprofils auch zu einer zielgerichteten Förderung der regionalen Sportlandschaft allgemein führen. Mit der Erlangung des Status eines „Paragraph-4-Gymnasiums“, würde man diesem Anspruch einen Schritt näherkommen. Darunter zählen Gymnasien, die eine „vertiefte Ausbildung als besonderen Bildungsweg“ (vgl. SächsGVBl. 2012, S. 348) anbieten können. Folglich würde die Schule mehr Lehrstunden und dementsprechend auch mehr Lehrer*innenstellen im Fach Sport zur Verfügung gestellt bekommen. Unter diesen optimalen Bedingungen könnte es sogar möglich sein, einen Leistungskurs Sport in der Sekundarstufe II anzubieten. So hätte die Schule durch ihren Sportschulstatus ein „absolutes Alleinstellungsmerkmal“, laut Tommy Färber. Auch gibt es bereits Vorstellungen dazu, wie Schüler*innen aus entfernten Regionen in Zukunft angebunden und so der Einzugskreis erweitert werden könnte. Färber spricht in diesem Zusammenhang von Plänen, die es vorsehen, ein Internat zu errichten. Bis dieses Wunschdenken jedoch Gestalt annehmen kann, muss das Projekt zunächst anlaufen und sich etablieren. Die Sterne stehen aber nach anfänglichen Schwierigkeiten, die mit fehlender Unterstützung seitens der Stadt einhergingen, gut. Mittlerweile kann das Projekt von anderen Sponsoren getragen werden.

Doch auch, wenn sich der große Traum des „Paragraph-4-Gymnasiums“ nicht erfüllen sollte, bleibt das besondere Portfolio Hoffnungsträger für die Schule sowie ein vielversprechendes Projekt für die Zukunft der Stadt Plauen.


AUSBLICK

Tommy Färber, Steven Fischer und ihre Kolleg*innen haben es sich zur Aufgabe gemacht, dass sich dieses Sportzentrum in den nächsten Jahren als zentrale Anlaufstelle für Sportler*innen im Vogtland etabliert und am Ende für künftige Schüler*innen irgendwann feststeht: „Ich bin Sportler. Ich muss ans Diesterweg!“


Videos zum Sportzentrum in Plauen

Hörerbeitrag Sportzentrum Vogtlandradio: https://youtu.be/fymCCJYJPUc

Infos rund um das Sportzentrum am Diesterweg-Gymnasium Plauen: https://youtu.be/eNXhuM72a0k


Presseberichte


LITERATURVERZEICHNIS


Diesterweg Gymnasium Plauen. URL: https://www.diesterweg-gymnasium.de (Zugriff: 01.07.2021).


Fend, H. (2008): Schule gestalten: Systemsteuerung, Schulentwicklung und Unterrichtsqualität. VS Verlag für Sozialwissenschaften / GWV Fachverlage GmbH Wiesbaden. URL: https://doi.org/10.1007/978-3-531-90867-0 (Zugriff: 01.07.2021)


Jößnitz, S. G. /Gebauer, S. (2021): News Verein Einzelansicht: SG Jößnitz. URL: http://sg-j.de/verein/news-verein-einzelansicht/sg-joessnitz-kooperiert-mit-neuem-sportzentrum-plauen (Zugriff: 01.07.2021).


Schulordnung Gymnasien Abiturprüfung. (2012): Sächs.GVBl. S. 348. Zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 10. Juni 2020 (SächsGVBl. S. 288) geändert. In: REVOSax Landesrecht Sachsen - Schulordnung Gymnasien Abiturprüfung – SOGYA. URL: https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/12517-Schulordnung-Gymnasien-Abiturpruefung (Zugriff: 01.07.2021).


Schmidt, R. (2010): Höheres Schulwesen - Schulgeschichte des sächsischen Vogtlandes. URL: http://schulgeschichte.de/hoeheres-schulwesen-im-vogtland.html (Zugriff: 01.07.2021).


VDW e.V. (2021): Bildung und Politik im Ausverkauf: Ist die Ökonomisierung unserer Gesellschaft unaufhaltsam? URL: https://vdw-ev.de/portfolio/bildung-und-politik-im-ausverkauf-ist-die-oekonomisierung-unserer-gesellschaft-unaufhaltsam (Zugriff: 01.07.2021).

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