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Räume in einer Schule mit Ganztagsangeboten

Aktualisiert: 8. Nov. 2021

von Ann-Kathrin Häberle


Eine Schule umzugestalten oder neuzubauen, so dass sie ein Haus des Lernens und Lebens ist und gleichzeitig eine Wohlfühlatmosphäre vermittelt, ist eine große architektonische Aufgabe. Die große Herausforderung besteht darin, die unterschiedlichen Bedürfnisse aller, die an der Schule arbeiten und lernen, auszubalancieren (vgl. Seydel 2013, S. 119).

Die Tagesabläufe von Schulen mit Ganztagsangeboten (GTA) sind idealerweise rhythmisiert. Konzentrierte und entspannte Phasen wechseln sich über den Tag ab. Deshalb sind Räume notwendig, die auf verschiedene Bedürfnisse abgestimmt sind. Kinder und Jugendliche verbringen mehr Zeit in der Schule. Schulen mit GTA leisten einen großen Beitrag zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie (vgl. BMFSFJ 2017, S. 18). Um Bildungsungerechtigkeit ausgleichen zu können, muss eine gute Erziehung, Betreuung und Bildung in der Schulzeit sichergestellt werden. Hierbei genügt es nicht, sich nur auf die finanziellen, personellen und organisatorischen Faktoren zu konzentrieren. Vielmehr sollte das Augenmerk auf die Schule als Raum gerichtet werden.


JEDES BEDÜRFNIS FINDET SEINEN RAUM. WELCHE ARTEN VON RÄUMEN SOLTE ES ZUSÄTZLICH AN SCHULEN MIT GTA GEBEN?

Da zahlreiche Kinder und Jugendliche in der Woche zwischen 8-16 Uhr, teilweise sogar länger, in der Schule sind, ist es wichtig zu wissen, welchen Aktivitäten sie den Tag über nachgehen, welche Bedürfnisse sie haben und was sie sich für den Ganztag wünschen (vgl. Appel 2005). Sie möchten sich mitteilen, wünschen sich vielfältige soziale Beziehungen und die Entwicklung eines Gemeinschaftsbewusstseins (vgl. Appel 2005, S. 104). Hierfür sind Kommunikationsräume wie Stufenräume, Freizeiträume, Teeküchen oder Kaffeeräume, Cafeterias, Aulen mit Sitztreppen und Discos von Nöten (vgl. Lochmann 1987, zit. n. Holtappels 1995, S. 21).

Außerdem wünschen sich die Schüler*innen modern gestaltete Lernbereiche und Lernmöglichkeiten, die frei sind von Stress, Hektik, Anordnungen und starren Regeln. Außerdem Ruhe- und Arbeitsräume, die zur Erledigung von Übungsaufgaben, zum Ruhen oder Schlafen dienen. Für den Wunsch nach Bewegung und Aktivität sollten Spielflächen, Lärm- und Toberäume zur Verfügung gestellt werden. Um dem Wunsch nach Gelegenheiten für Lebensgenuss, wie Essen, Tanzen und Musikhören nachgehen zu können, sollte es Mensen und Cafeterias für die Frühstücks- und Mittagsverpflegung geben.

Aus den Wünschen geht hervor, dass gerade Jugendliche die Umgestaltung von Fluren und Aulen zur Rückzugs-und Kommunikationsorten sehr wichtig ist, denn die allermeisten Schüler*innen bevorzugen Orte, an denen sie sich entspannen können. Empirische Befunde zur sozialräumlichen Aneignung von Pausenräumen durch Heranwachsende ergaben, dass Jugendliche kaum noch ein Bedürfnis nach Bewegung aufweisen, sondern entwicklungsbedingt Bedarf nach Rückzug und Kommunikation mit ihren Peers aufweisen (vgl. Derecik 2019, S. 40).


WARUM GEWINNEN RÄUME AN SCHULEN MIT GTA IMMER MEHR AN BEDEUTUNG UND WIE BEEINFLUSSEN SIE DAS VERHALTEN DER SCHÜLER*INNEN?

Ein Aufenthalt in der Schule, unabhängig ob ganztägig oder nicht, hat zur Folge, dass für die unterschiedlichsten Bedürfnisse entsprechende Räume vorhanden sein sollten, die jeweils dem Anliegen entsprechend ausgestaltet sind. Aufgrund der längeren Verweildauer sollte an Schulen mit GTA den Räumen und deren Gestaltung eine höhere Bedeutung zugeschrieben werden.

Ein Forschungsprojekt des Design-Counceils über die Wirkung von Gestaltungsformen ergab, dass die Farbgebung und Lichtführung, Luftqualität, Schallqualität, Möblierung und das Nahrungsangebot erheblichen Einfluss auf den Gemütszustand und die Lernleistungen der Schüler*innen haben (vgl. Higgins 2005, zit. n. Rittelmeyer 2011, S. 503). Auch die Schulleistung kann verbessert werden, wenn die Schulumgebung als positiv empfunden wird (vgl. Earthman 1999, zit. n. Rittelmeyer 2011, S. 504). Die Krankheitsrate sinkt bspw. in Schulen mit vielen Fenstern (vgl. Kuller/Lindszen 1992, zit. n. Rittelmeyer 2011, S. 504).

Außerdem haben Studien gezeigt, dass das positive Empfinden der Schulumgebung geringeren Vandalismus seitens der Schüler*innen mit sich bringt (vgl. Klockhaus/Habermann-Morbey 1986, zit. n. Rittelmeyer 2011, S. 503). Untersuchungen von Rittelmeyer ergaben, dass je nach Form und Farbe Spannungs- und Entspannungsgefühle, Gefäßdurchblutungen und andere körperliche Variablen durch eine als sympathisch erlebte Schulumgebung positiv beeinflusst werden können (vgl. Rittelmeyer 2011, S. 504).


WIE GESTALTE ICH RÄUME?

Räume können mehrfach genutzt werden, indem man einen Klassenraum nicht nur zum Lehren und Lernen verwendet, sondern diese so gestaltet, dass sie gleichzeitig Raum für verschiedene Aktivitäten bieten, mit denen sich die Kinder und Jugendlichen identifizieren können. So kann beispielsweise die Mensa außerhalb der Mittagszeit als Aufenthaltsraum dienen oder im Nachmittagsbereich in eine “Spielothek” umfunktioniert werden. Durch bewegliche Möbel und Raumteiler kann die Mensa dann den jeweiligen Situationen angepasst und für andere Nutzungen umgestaltet werden (vgl. Kamski 2014, S. 173). Flure und Aulen sind an jeder Schule vorhanden, doch sie werden häufig nur als Verbindungs- oder Versammlungsräume genutzt. Meist sind sie nicht jugendgerecht gestaltet, sehen steril aus und wenig einladend (vgl. Kühn 2009, zit. n. Derecik 2019, S. 41). Doch Flure und Aulen haben ein erhebliches Potenzial für Rückzug und Kommunikation während der Mittagszeit.

Damit die Kinder sich mit den Räumen identifizieren können, wirkt sich laut Helm (2009) eine Beteiligung der Schüler*innen z.B. bei der Mitgestaltung positiv aus. Allerdings ist zu beachten, dass eine vorherige Sensibilisierung über positive architektonische Gestaltungsmittel stattfindet. Denn nur weil Schüler*innen etwas schön finden, heißt dies nicht, dass es sich für die Gestaltung eignet (vgl. Helm 2009, S. 45).

Nach Rittelmeyer sollte das Schulgebäude von außen freilassend sein, freundlich, ästhetisch ansprechend, aber gleichzeitig klar strukturiert, modern, wertvoll und in gewisser Weise einladend (vgl. Richter 2015, zit. nach Rittelmeyer 2011, S. 94). Große Glasfronten am Gebäude wirken einladend, da sie Transparenz vermitteln, gleichzeitig eine gute Lichtdurchflutung gewährleisten und Besucher*innen und Benutzer*innen die Scheu nehmen, das Gebäude zu betreten.

Innen, in den Klassenzimmern, empfiehlt Richter Lerninseln, welche multifunktional verwendet werden können. Diese können altersgerecht unterschiedlich gestaltet werden. Für Jüngere können diese bspw. mit Liegeinseln und Kuschelkissen ergänzt werden. Eine flexible Bestuhlung und verschieden kräftige Farbgebungen der Wände und Böden sollte an einer Schule mit GTA Grundausstattung sein (vgl. ebd., S. 96).

Auch Lehrkräfte, die in den Ganztag voll eingebunden sind, sollten die Möglichkeit haben, Rückzugsorte besuchen zu können (vgl. ebd., S. 98). Individuelle Arbeitsplätze für die Lehrkräfte mit Stauräumen zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts sollten in einem Bildungshaus vorhanden sein (vgl. ebd., S. 94).

Die nachfolgende Checkliste soll Ihnen bei der Raumneu-, um- und -ausgestaltung helfen. Sie können die Liste auch im Bereich "Materialien" als .pdf herunterladen.

LITERATURVERZEICHNIS


Andrea R. (2015): Von der Schule zum Bildungshaus. Architektur und Ausstattung als Merkmale einer neuen Schulkultur. In: Masche, S./Schulz-Gade, G./Stecher, L. (Hrsg.): Jahrbuch Ganztagsschule 2015. Potenziale der Ganztagsschule Nutzen. Schwalbach: Debus Pädagogik Verlag, S. 145-152.


Appel, S. (2005): Handbuch Ganztagsschule. Praxis. Konzepte. Handreichungen. Schwalbach/Ts: Wochenschau Verlag.


Buddensiek, W. (2001): Zukunftsfähiges Leben in Häusern des Lernens. Göttingen: Die Werkstatt.


Buddensiek, W. (2006): Lernräume analysieren und gestalten. Stuttgart: Deutscher Sparkassenverlag.


Buddensiek, W./v. Brägger, P. (Hrsg.) (2008): Lernräume als gesundheits- und kommunikationsfördernde Lebensräume gestalten. Auf dem Weg zu einer neuen Lernkultur. In: Brägger, G./Posse, N./Israel, G. (Hrsg.): Bildung und Gesundheit. Argumente für eine gute und gesunde Schule. Bern.


Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (2017): Familienreport 2017. Leistungen. Wirkungen. Trends. URL: https://www.bmfsfj.de/blob/119524/f5 1728a14e3c91c3d8ea657bb01bbab0/familienreport-2017-data.pdf (Zugriff: 02.07.2020).


Derecik, A. (2019): Rückzugs- und Kommunikationsräume für Jugendliche. Empirische Ergebnisse zur Planung, Gestaltung sowie Öffnung von Fluren und Aulen für die Mittagsfreizeit von Ganztagsschulen. Diskurs Kindheits- und Jugendforschung/ Discourse. Journal of Childhood and Adolescence Research.1/2019, S. 39-54.


Helm, N. S. (2009): Lehrerausbildung und Schule in der Diskussion. Zukunftsfähige Gestaltung von Häusern des Lernens. Heft 17, 2009.


Holtappels, H.G. (1995): Ganztagserziehung als Gestaltungsrahmen der Schulkultur - Modelle und Perspektiven für ein zeitgemäßes Schulkonzept. In Holtappels, H.G. (Hrsg.): Ganztagserziehung in der Schule. Opladen: Lese + Budrich, S. 43-44


Holtappels, H.G. (1995): Ganztagserziehung als Gestaltungsrahmen der Schulkultur - Modelle und Perspektiven für ein zeitgemäßes Schulkonzept. In Holtappels, H.G. (Hrsg.): Ganztagserziehung in der Schule. Opladen: Lese + Budrich, S. 20-21.


Kamski, I. (2014): Rhythmisierung in Ganztagsschulen. Erprobte Praxis – funktionierende Modelle. Schwalbach: Debus Pädagogik Verlag.


Kanevski, R. (2013): Gestaltung von Rahmenbedingungen für Peer-Beziehungen als Konzeptionselement der Ganztagsschule. In: Apel, S./Rother, U. (Hrsg.): Jahrbuch Ganztagsschule 2013. Schulen ein Profil geben – Konzeptionsgestaltung in der Ganztagsschule. Schwalbach: Debus Pädagogik Verlag, S. 9-17.


Rittelmeyer, C. (2011): Schule als gestalteter Raum: Schularchitektur. In: Hof, C./Fuhr, T./Wittenbruch, W./Hellekamps, S./Plöger, W./Gonon, P. (Hrsg.): Handbuch der Erziehungswissenschaft. Paderborn: Ferdinand Schöningh. S. 505-511.


Seydel, O. (2011): Orte des Lebens und Lernens. Welche Räume eine gute Ganztagsschule braucht. In: Fietz, K. (Hrsg.): Auf neuen Wegen: Die Lernkultur an Ganztagsschulen verändern. Berlin, S. 119-122.


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